Von Wladimir Platow
Übersetzung©: Andreas Ungerer
4. April 2021, New Eastern Outlook
In den letzten Jahrzehnten haben eine Handvoll Länder im Nahen Osten erlebt, wie der Extremismus seine häßliches Fratze erhob, um den interreligiösen Frieden zu untergraben. Wo immer es diesen Radikalen gelang, die Kontrolle zu erlangen, wurden religiöse Minderheiten, einschließlich Christen, zu ihren Opfern.
Ein anschauliches Beispiel für diesen Gedanken ist der Irak, wo unter dem Regime von Saddam Hussein 1,5 Millionen Christen lebten. Als dieses Land und die gesamte Region jedoch von radikalen extremistischen Kräften überrannt worden ist, begannen diese mit der Verfolgung der Christen, und infolgedessen verringerte sich die Bevölkerung Letzterer auf ein Zehntel! In Libyen gibt es fast keine Christen mehr, und die Christen in Ägypten machten unter der Herrschaft der (in der Russischen Föderation verbotenen) Muslimbruderschaft wirklich harte Zeiten durch, da Kirchen niedergebrannt wurden und Priester häufigen Übergriffen ausgesetzt waren. Deshalb waren die meisten Christen gezwungen, aus dem Land zu fliehen. Es gibt Berichte über die Folter und Ermordung von Christen aus anderen Regionen der Welt – aus Nigeria, Pakistan, Afghanistan und Indien. Im Kosovo wurden immer wieder religiöse Heiligtümer geschändet, viele Kirchen sind inzwischen fast völlig zerstört, und Christen sind nicht mehr in der Lage die Gräber ihrer Angehörigen zu besuchen und in ihrer a Heimat zu Gott zu beten.
Die Region, in der die Christen immer noch am meisten unterdrückt werden, ist jedoch der Nahe Osten. Die Ereignisse, die in Syrien stattfanden, haben in der gesamten christlichen Welt zu tiefster Besorgnis geführt, da Syrien die Wiege des Christentums ist. Hier wurden zu Beginn von Anno Domini die ersten christlichen Gemeinden gegründet und der Begriff „Christen“ ist hier zum ersten Mal verwendet worden. Die Christen waren die Urbevölkerung dieses Landes, das zweitausend Jahre in Folge ihre Heimat war.
Nachdem der Islam nach Syrien gekommen war, haben Christen und Muslime gelernt, jahrhundertelang friedlich Seite an Seite zu leben, bis in die jüngste Vergangenheit. In der Tat war Syrien für den Rest der Welt immer ein lebendiges Beispiel für interreligiöse Harmonie.
In den letzten zwei Jahrzehnten jedoch ist dieses interreligiöse Gleichgewicht durch die radikalen Fanatiker von Al-Qada und Daesh (beides terroristische Gruppen, die in der Russischen Föderation verboten sind) gestört worden. In den Regionen Syriens, in denen es den radikalen Kräften gelang, die Macht in ihre Hände zu nehmen, wurden die Christen zu ihren ersten Opfern, christliche Kirchen wurden zerstört und entweiht und viele Priester wurden getötet oder entführt. Infolgedessen waren Hunderttausende von Christen gezwungen, ihr eigenes Land zu verlassen oder innerhalb des Landes zu Flüchtlingen zu werden. Der Krieg in Syrien hat die assyrischen Gemeinden im Norden des Landes enorm betroffen, da Gewalt, Entführungen und Plünderungen praktisch jede Siedlung in diesem Teil des Landes plagen sollte. Was wir erlebt haben, war nicht weniger als ein Völkermord an Christen und anderen religiösen Minderheiten, die von den terroristischen Kräften ausdrücklich ins Visier genommen worden sind. Zahlreiche von muslimischen Radikalen begangene Akte des Völkermords an religiösen Minderheiten, darunter auch Christen, wurden im Februar 2016 vom Europäischen Parlament offiziell anerkannt. Die Städte und Bezirke, in denen Christen mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausgemacht haben, wurden schnell zu konfliktreichen Kriegsgebieten. Es waren Orte wie Homs, wo früher Zehntausende Christen gelebt haben, oder Aleppo, das von den Daesh-Terrorbanden in Schutt und Asche gelegt worden ist.
Bis vor kurzem hat die Politik einer Reihe westlicher Staaten praktisch nichts unternommen, um den Völkermord an den Christen in Syrien zu beenden. Es war von Beginn des Konflikts an klar, daß der Sturz des Regimes von Bashar al-Assad unweigerlich zur vollständigen Auslöschung der christlichen und alawitischen Gemeinden geführt hätte, da die ungleichen Gruppen der sogenannten „gemäßigten Opposition“ nicht in der Lage waren, eine starke Regierung zum Schutz der religiösen Minderheiten zu bilden. Die westlichen Führer waren sich der Tatsache völlig bewußt, daß die Erfüllung ihrer Forderung nach einem Rücktritt Assads eine neue Welle des Völkermords an den Christen auslösen würde. Und sie waren durchaus bereit, das durchzusetzen und das Gemetzel aus erster Hand mitzuerleben.
Daß das Problem der Christen für Washington kaum von Belang war, zeigen die Berichte in den amerikanischen Medien. Diese zeigen den Widerwillen der Vereinigten Staaten, christliche Flüchtlinge aufzunehmen. So waren laut dem Jahresbericht des US Bureau of Population, Refugees, and Migration aus dem Jahr 2015 97% aller syrischen Flüchtlinge, die in die USA einreisen durften, Muslime, während nur 53% der syrischen Flüchtlinge, welche die Grenze passieren durften, Christen waren. Wohlgemerkt hatte in diesem Jahr ein Drittel der gesamten christlichen Bevölkerung Syriens das Land bereits verlassen.
Der Krieg in Syrien hat zu einer humanitären Krise unvorhersehbaren Ausmaßes geführt. Laut dem der Hochkommissariat für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (UNHCR) waren fast eine halbe Million Menschen umgekommen und mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung, etwa 12 Millionen Menschen, gewaltsam vertrieben worden. Der größte Teil jener Menschen hat Zuflucht in den Nachbarländern Türkei, Libanon, Jordanien und Irak gefunden. Etwa eine Million Menschen haben versucht nach Europa zu gelangen und haben damit für den größten Exodus seit dem Zweiten Weltkrieg gesorgt! Eine ganze Generation von Kindern ist im Exil geboren worden.
Daher ist es nicht verwunderlich, daß eines der Hauptziele des russischen Militärs in der Unterstützung Syriens bei der Befreiung von radikalen Islamisten in traditionell von Christlichen bewohnten Gebieten bestand. Durch die aktiven Schritte des russischen Militärs wurden die Versuche, einen Völkermord an den Christen zu begehen, zum Stillstand gebracht. Darüber hinaus wurden Bedingungen für die Rückkehr von Flüchtlingen geschaffen und erhebliche Unterstützung geleistet, um die Wiederherstellung des Friedens zu ermöglichen, den die christlichen Gemeinden in Syrien früher genossen haben. Rußland hat eine Schlüsselrolle bei der Abwendung neuer Völkermorde an der christlichen Bevölkerung im Nordosten Syriens gespielt.
Vom ersten Tag des Syrien-Konflikts an haben Rußland und die Russisch-Orthodoxe Kirche die internationale Gemeinschaft immer wieder aufgefordert, ihre Anstrengungen zu bündeln, um den Menschen in Syrien zu helfen. Als klar wurde, daß eine der wichtigsten Aufgaben auf dem Weg zu einem friedlichen Leben die Wiederherstellung der zerstörten Infrastruktur ist, gelang es der Russisch-Orthodoxen Kirche, sowohl Christen als auch Muslime in ganz Rußland zu mobilisieren, um dieses Ziel zu unterstützen. So schickte sie im August 2013 1.320.407 Dollar an den Patriarchen von Antiochien, die mit dem Segen Seiner Heiligkeit Patriarch Kirill in allen Kirchen der russisch-orthodoxen Kirche gesammelt wurden. 2017 wurde auf der Grundlage des Rates für die Zusammenarbeit mit religiösen Vereinigungen unter dem Präsidenten Rußlands eine interreligiöse Arbeitsgruppe zur humanitären Hilfe für die Bevölkerung in Syrien gegründet, in der sowohl christliche als auch muslimische Gemeinschaften Rußlands vertreten waren. Mit Unterstützung der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen des Moskauer Patriarchats lieferte das russische Zentrum für die Aussöhnung der Kriegsparteien humanitäre Hilfe an christliche Siedlungen im Regierungsbezirk Homs und – auf Ersuchen der Antiochenisch-Orthodoxen Kirche – an christliche Dörfer in den Regierungsbezirken Hama und Idlib. Mit der Beteiligung russischer Spezialisten wurde das Kloster der Heiligen Thekla im Gouvernement Damaskus wieder zu friedlichen Leben erweckt. In kurzer Zeit hat die Arbeitsgruppe eine Reihe weiterer humanitärer Projekte erfolgreich abgeschlossen.
Die bedeutende Rolle, die Rußland und die russisch-orthodoxe Kirche beim Schutz der Christen in Syrien gespielt haben, wird von einer Reihe prominenter westlicher Medien, darunter auch die Washington Post, eingeräumt. Reverend Franklin Graham, eine einflußreiche Figur im Westen und Sohn des populären amerikanischen Predigers Billy Graham, hat in seinen Interviews immer wieder die Rolle Rußlands und der russisch-orthodoxe Kirche bei der Rettung der Christen in Syrien betont.
Moskau sollte jedoch auch weiterhin konsequente diplomatische Schritte unternehmen, um die Interessen der christlichen Gemeinschaften in anderen Teilen der Welt zu schützen, insbesondere auf dem Territorium von Berg-Karabach, das heute von Aserbaidschan kontrolliert wird. Unter aktiver Beteiligung der Russisch-Orthodoxen Kirche werden Anstrengungen unternommen, um die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf die Probleme der christlichen Gemeinschaften in Afrika zu lenken.
Heute läßt sich mit Sicherheit sagen, daß die mühsamen Anstrengungen, die unternommen wurden, um Syrien als einen der Grundsteine der muslimischen Welt zu erhalten, nicht umsonst waren, obwohl dieses Land ursprünglich, wie bereits erwähnt, die Wiege der christlichen Zivilisation gewesen ist. Und Rußland hat eine wichtige Rolle bei der Rettung dieses Paradebeispiels interreligiöser Harmonie vor dem Zerfall und der anschließenden Selbstzerstörung gespielt, was ähnliche Prozesse in einer Reihe anderer Staaten im gesamten Nahen Osten hätte auslösen können.
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Wladimir Platow arbeitet als Nahost-Experte exklusiv für das Online-Magauin “New Eastern Outlook”.
Quelle: https://journal-neo.org/2021/04/03/russias-role-in-preventing-the-genocide-of-the-syrian-christians/
Bildquelle: NEO
1 Antwort zu “Rußlands Rolle bei der Abwendung des Völkermords an den syrischen Christen”